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Verschwundene Romasiedlungen Nordburgenland

Im Jahr 2020 erschien das Buch „Einfach weg! Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland“ in dem sich die Historiker Herbert Brettl und Gerhard Baumgartner auf die Spurensuche nach den vergessenen Siedlungen machten. Herausgekommen ist eine beachtliche Sammlung und der Nachweis, dass es im Burgenland vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten über 120 Romsiedlungen gab. Hier eine Auflistung weiterer Orte (Auszug) in alphabetischer Reihenfolge:

 

Apetlon

Bereits im 18. Jahrhundert ist die Ansiedlung der ersten Rom_nija Familien belegt: Die beiden Familien Lazar, lebten zwischen 1775 und 1785 im Ort. Zwischen 1925 und 1936 wurden zwischen 22 und 24 Rom_nija in Apetlon gezählt. 1936 lebten die Familien Horvath, Sarközy und Ujvari im Dorf.

Der Gendarmerieposten in Apetlon meldet im Mai 1929 an die Bezirkshauptmannschaft in Neusiedl am See: „Die in Apetlon wohnhaften Zigeuner sind seßhaft und als Viehhüter beschäftigt. Für diese Arbeitsleistung sind sie sehr verwendbar. Sie leistet schon seit einigen Jahren diese Dienstleistung und von Seiten der Gemeinde besteht die Absicht sie auch weiter zu verwenden. Es besteht nicht die Gefahr, daß sie ihrem Wandertrieb wieder nachgehen“[2]

Alle Rom_nija aus Apetlon wurden im Zweiten Weltkrieg verschleppt, keine/r ist nach 1945 zurückgekehrt.

 

Donnerskirchen

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, siedelten sich Rom_nija dauerhaft in Donnerskirchen an. In einer kleinen Romasiedlung, die am Rande der Ortschaft errichtet wurde, lebten in den 1930er Jahren zwischen 20 und 26 Personen.

„Die 1936 durchgeführte, letzte Zählung vor der Zerstörung der Siedlung ergab 23 Einwohner, welche die Familiennamen Hodosch – nach ungarischer Schreibweise auch ‚Hodos‘ geschrieben, - Horvath und Pfeffer trugen. […] Der nationalsozialistische Terror zerstörte die Existenz der Roma in Donnerskirchen“ [6]

 

Draßburg

Erst in den 1920er Jahren siedelten sich hier Romafamilien an. 1925 zählte man 10, fünf Jahre später 15 Rom_nija.

„Zeitzeugen berichten, dass es zwischen und Roma und Nichtroma gute Kontakte gab und die Kinder zur Schule gingen. 1931 wurde auch eine Ehe zwischen einem Roma und einer Nichromni in Draßburg geschlossen.“[7]

Über das Schicksal der Rom_nija im Nationalsozialismus bzw. in der Nachkriegszeit ist nichts bekannt.

 

Forchtenau

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten nachweislich die ersten Rom_nija in Forchtenau. 1925 lebten 25 Rom_nja in Hütten im Bereich des ehemaligen esterházyschen Ziegelofens am Ortsrand in Richtung Mattersburg. Über das Schicksal der in Forchtenau lebenden Rom_nja im Nationalsozialismus ist wenig bekannt, sie wurden jedoch alle verschleppt. Nach dem Krieg kehrten einige in ihre Heimatgemeinde zurück, zwei Romafamilien blieben langfristig im Ort – obwohl sie auch nach 1945 mit einer ablehnenden und diskriminierenden Haltung von Seiten einiger Dorfbewohner konfrontiert waren.

 

Gattendorf

Bereits 1682 gibt es erste Dokumente über Rom_nja im Ort. „Im 18. Jahrhundert zeigen die Aufzeichnungen zahlreiche Mitglieder der Familie Ujvari und 1762 die Familie Dany als Romabewohner des Ortes“ [8]

Zwischen 26 und 42 Rom_nija lebten in den 1930er Jahren in Gattendorf. Es werden die Familiennamen: Ujvari, Niklos, Papai, Rigo, Takacs, Weigert, Bertok, Horvath, Bihari und Sipos angeführt. Das Zusammenleben wird als weitgehend friedlich geschildert, nichts desto trotz wurden die meisten im Ort lebenden Rom_nja verschleppt und ermordet – nur wenige kehrten nach Kriegsende nach Gattendorf zurück.

Im Jahr 2006 benannte die Gemeinde, in Erinnerung an die Rom_nja im Ort, einen Weg nach den Opfern des Nationalsozialismus.

 

Gols

Zwischen 1775 und 1783 wurden die ersten Romafamilien in Gols gelistet. Ab 1909 wurde der Ort auch verstärkt von Lovara Familien aufgesucht: „Diese teilweise in der Riede ‚Golser Schranken‘ im Südosten des Dorfes siedelnden Roma kamen beispielsweise aus Jois oder Mönchhof.“[9]

Die meisten Romafamilien hatten den Namen Stojka – einige wenige die Namen Horvath, Kolompar und Biharry. Familie Stojka lebte in einem Holzhaus bei der alten „Steegmühle“ auf einem ihnen zugewiesenem Grundstück. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden alle Golser Rom_nija verschleppt, keiner kehrte nach dem Krieg zurück.

 

Halbturn

Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert siedelten sich hier erstmals Rom_nja mit den Namen Ujvari, Ferko, oder Marton an. Wie in vielen anderen Orten stieg auch hier die Anzahl der im Ort lebenden Roma in der Zwischenkriegszeit stark an: Von 1925, 18 Personen, bis 1933 auf 50 Personen.

„Die Gemeinde stellte den Roma kostenlos ein Grundstück in Ortsnähe zur Verfügung, auch um die Bewohner besser kontrollieren zu können.“[13]

Hier errichteten die ortsansässigen Romafamilien 4 Häuser. Ab 1938 wurde ein Schulbesuchsverbot für die Kinder der Rom_nija ausgesprochen. Es folgten Verfolgung und Misshandlungen durch die SA, die dies als „Zigeunerhetze“ bezeichnete. Kurze Zeit später wurde ein Großteil der 42 Halbturner Roma in Konzentrationslager verschleppt und ermordet. Nur 11 kehrten nach dem Krieg nach Halbturn zurück. Bis 1954 verließen aber alle den Ort, um in Wien den Diskriminierungen und der Ablehnung, die ihnen in Halbturn, auch noch nachdem sie die Konzentrationslager überlebt hatten, entgegengebracht wurde, zu entkommen.

 

Jois

Die erste Romafamilie wird im Jahr 1667 erwähnt, eine dauerhafte Ansiedlung folgte ab den 1830er Jahren. Nach 1921 entstand eine dauerhafte Romasieldung, die zwischen 1930 und 1934 von 6 auf 12 Holz- und Lehmhütten anwuchs. Der Kauf eines Grundstückes wurde ihnen verwehrt, wie Baumgartner und Brettl festhalten:

 „Den Bauplatz, den Georg und Ludwig Ujvari 1929 von der Gemeinde kauften, mussten sie drei Jahre später wieder zurückgeben, da sie die Baupflicht nicht eingehalten hatten. Stefan Horvath wurde 1932 von der Gemeinde Jois der Kauf eines Hausplatzes mit der Begründung verweigert, dass ‚die Zigeuner nicht den nötigen Ordnungs- und Reinlichkeitssinn haben, wie die bei anderen Ortsinsassen beobachtet wird und daher die anrainenden Hausbesitzer hierdurch belästigt oder geschädigt werden würden.‘“ [16]

Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gab es Bestrebungen der Gemeinde, die Romasiedlung noch weiter weg vom Ortskern zu verlegen oder sie aufzulassen. Jois entwickelte sich bis 1930 zu jener Gemeinde im Bezirk Neusiedl, in der die meisten Rom_nija lebten, nämlich über 100. Im Jahr 1933 lebten über 130 Rom_nja in Jois. Sie errichteten Häuser und versuchten, soweit ihnen dies erlaubt wurde, sich in das Dorfleben zu integrieren. 1941 wurde die Romasiedlung von Soldaten und ortsansässigen Jägern umstellt, die dort lebenden Roma wurden registriert und in das sogenannte „Zigeunerlager Lackenbach“ verschleppt. Nur wenige überlebten den Zweiten Weltkrieg. Eine von ihnen war Maria Stojka, die Mutter der Malerin und Autorin Ceija Stojka, geborene Margarethe Stojka. Ceija kam nach dem Krieg persönlich nach Jois, um einen Identitätsnachweis für Ihre Mutter zu bekommen. Die Familie zog, wie viele andere der Überlebenden, nach Wien. 2015 wurde, auf Initiative von Dr. Franz Hillinger, in Jois ein Denkmal für die ermordeten Rom_nija errichtet und eine Gedenktafel am Friedhof angebracht.

 

Mattersburg

Im Jahr 1873 lebte nur eine Romafamilie in Mattersburg, der Schmied Michael Sarkosy und sein Frau Maria Karoly. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich mehr Rom_nija im Ort an. Die Geburtenrate stieg bis in die 1920er bzw. 1930er Jahre an, sodass in Mattersburg die größte Romasiedlung im Bezirk entstand. 1925 lebten 41 Rom_nija im Ort. Das Schicksal der Mattersburger Roma im Zweiten Weltkrieg war tragisch, ähnlich wie in den anderen Orten des Burgenlandes auch: 1939 begannen die Verhaftungen, viele Roma wurden nach Dachau und später in andere Konzentrationslager verschleppt, Romnija wurden ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. „Zahlreiche Roma aus Mattersburg fielen den Deportationen ins ‚Zigeunerlager Litzmannstadt‘ in Lodz 1941 und ins ‚Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau‘ 1943 zum Opfer.“[21]

Nach dem Krieg kehrten nur wenige Rom_nija nach Mattersburg zurück. 2007 errichtete die Gemeinde ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Rom_nija aus Mattersburg und Walbersdorf.

 

 

Mönchhof

Bereits 1785 ließen sich die ersten Rom_nija in Mönchhof nieder. Bis Ende des 19. Jahrhundert gab es eine Zuwanderung von Lovara Roma, die ursprünglich aus der Karpatenukraine kamen. Die Familien Stojka und Bihari, die sich in Mönchhof niederließen, pflegten einen engen Kontakt mit den Golser Roma. Sie arbeiteten meist als Pferdehändler, Marktfahrer, Korbflechter und Hilfsarbeiter. Zirka 20 Personen lebten 1933 in Mönchhof, und zwar bei der „Sandhöhe“ und in der Nähe der heutigen Angergasse. Über ihr Schicksal während des Zweiten Weltkrieges ist wenig bekannt:

„Es dürften jedoch alsbald Verhaftungen stattgefunden haben. So wurde beispielsweise am 22. Oktober 1938 der vierfache Vater Josef Bihari – auch als Peter Bihari geführt – in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Von dort wurde er im März 1939 in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht, wo er am 31. Dezember 1939 verstarb. Seine Ehefrau Barbara wurde mit den Kindern im ‚Zigeunerlager Lackenbach‘ inhaftiert. Nach einem Strafaufenthalt am Landesgericht Wien wurde sie im September 1941 wieder nach Lackenbach zurückgebracht. Danach verliert sich ihre Spur.“ [22]

Zu den wenigen Überlebenden aus Mönchhof zählten die Geschwister Josef und Maria Bihari. Josef, der mehrere Konzentrationslager überlebt hatte, stellte 1975 einen Antrag auf Opferfürsorge. Er verstarb 1976. Maria verstarb 2000 in Wiener Neustadt.

 

Mörbisch am See

Herbert Brettl schreibt zur Ansiedlung der Rom_nija in Mörbisch folgendes:

„In den Konskriptionslisten des 18. Jahrhunderts und der Aufzeichnung von 1873 wurden in Mörbisch noch keine Roma vermerkt, doch dürfte sich kurze Zeit später die Familie Karoly im Ort angesiedelt haben. 1880 wurde Franz Karoly in der ‚Goldberghütte‘ geboren, 1894 Tobias und 1896 Julianna Karall. […] Zu Beginn des Ersten Weltkrieges baute sich die Familie ein eigenes Haus westlich der Sebastiansäule.“ [23]

Dies war der Beginn der Romasiedlung in Mörbisch, die als ‚Zigeunerzeile‘ bezeichnet wurde. Im Jahr 1936 lebten 64 Personen in dieser Siedlung. Die häufigsten Namen der Rom_nija waren Karoly und Horvath, weniger häufig hießen sie Hodosch, Berger, und Papai. Die Kinder besuchten bis 1938, also bis ihnen das Schulbesuchsrecht verweigert wurde, die Volksschule. Einige Roma kämpften als Soldaten im Ersten Weltkrieg und trotzdem konnten die ortsansässigen Rom_nija keiner regelmäßigen Arbeit nachgehen, da ihnen die Mehrheitsbevölkerung Misstrauen und Vorurteile entgegenbrachten. 1938 und 1939 begannen die Verhaftungen und Deportationen. 1941 wurden die letzten in Mörbisch verbliebenen Rom_nija verschleppt, die meisten ins sogenannte „Zigeunerlager Lackenbach“. Nur wenige überlebten den Krieg und kehrten nach Mörbisch zurück. Ihre Häuser gab es nicht mehr, daher wurde ihnen ein Grundstück 150 Meter außerhalb des Ortes zugeteilt. 1980 bekannten sich 22 Personen dazu Angehörige der Volksgruppe zu sein. 2017 wurde in Mörbisch eine Gedenktafel für ermordeten NS-Opfer enthüllt, auf dieser Tafel sind auch die Namen der 15 ermordeten Mörbischer Rom_nija zu finden.

 

Pamhagen

Im Jahr 1744 lebten drei Romafamilien in Pamhagen, die aus 16 Personen bestanden und die Namen Tököszy und Berky trugen. Die Zahl der in Pamhagen lebenden Rom_nija nahm stetig zu, im Jahr 1936 wurden 32 Personen in der Romasiedlung registriert. Die Siedlung bestand aus 10 Gebäuden. Ihr Schicksal während des Nationalsozialismus unterscheidet sich teilweise zu anderen Rom_nija in dieser Zeit:

„Von 1938 bis 1941 sind nur vereinzelt Berichte über die Situation der Roma in Pamhagen bekannt. Sie waren relativ gut integriert und so wurden auch einige wehrfähige Männer zu Kriegsbeginn zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Franz Hodosch starb 1940 als Soldat nach einer Verwundung in einem Lazarett und ist auf dem Kriegerdenkmal in Pamhagen als Gefallener vermerkt.“[25]

Einige Männer wurden zur Zwangsarbeit im Straßenbau verschleppt, ihre Frauen und Kinder sowie ältere Personen blieben in Pamhagen. Die Siedlung wurde von der sogenannten „Rassenforscherin“ Eva Justin aufgesucht.

„Ihre sogenannten ‚Rassegutachten‘ bildeten die Rechtfertigung für die Deportation und Ermordung zehntausender Roma und Sinti. Die meisten Pamhagner Roma wurden zwischen Mitte und Ende September 1941 von der SS, Gestapo und der Ortsgendarmerie aus ihren Wohnungen getrieben und ins ‚Zigeunerlager Lackenbach‘ verschleppt.“ [26]

Die meisten von ihnen wurden in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet und kaum ein Überlebender kehrte nach dem Krieg nach Pamhagen zurück. Die meisten der Überlebenden versuchten sich in Wien, Schwechat oder Wiener Neustadt ein neues Leben aufzubauen.

 

Podersdorf

„Erstmals wurden 1837 die 20-jährige Maria und der 45-jährige Janos Ujvari als in Podersdorf wohnende Roma erwähnt. Danach gab es im 19. Jahrhundert keine weiteren Einträge in die Konskriptionslisten, doch darf angenommen werden, dass Roma durchgehend in Podersdorf gelebt haben. Während der kalten Jahreszeit hatten die Romafamilien ihr Lager gegenüber der Windmühle in einer Grube, noch heute im Volksmund ‚Zigeunergrube‘ genannt.“ [27]

Bis ins Jahr 1936 stieg die Anzahl der in Podersdorf lebenden Rom_nija auf 38 an. Die meisten gehörten der Gruppe der Lovara an und trugen die Nachnamen Horvath, Stojka, Rigo, Kolompar und Lakatos. Viele Roma gingen dem Pferdehandel nach und ihre Frauen arbeiteten als Gänsehüterinnen für die Gemeinde. Zu den bekanntesten Podersdorfer Roma zählt der Pferdehändler Vinzenz „Dolla“ Stojka. Mit seinen Pferden war er auch immer am Markt in Neusiedl am See vertreten. Sein Schicksal während des Nationalsozialismus ist exemplarisch für jenes der Podersdorfer Rom_nija: Er wurde verhaftet und in das Konzentrationslager Mauthausen verschleppt, in dem er am 9. Jänner 1940 starb. Untypisch ist, dass jemand einen Grabstein für ihn anfertigen ließ, der Jahrzehnte später bei Grabungen in der sogenannten „Zigeunergrube“ gefunden wurde. Keiner der Podersdorfer Rom_nija kehrte nach dem Krieg in die Heimatgemeinde zurück. Lediglich das Lokal „Zigeunergrube“ erinnerte dunkel an die Geschichte der Rom_nija im Ort.

 

Rust

Stefan Hodos ist der erste Rom, der in Rust 1873 geboren wurde. Erst zwei Jahre vor seinem Tod im Jahr 1932 gestand ihm die Freistadt Rust das Heimatrecht zu, nachdem er jahrelang darum angesucht hatte und immer wieder abgewiesen wurde. Seine Familie zog nach seinem Tod von Langenthal nach Rust in das sogenannte „Zigeunerlager“. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann ein unfassbar grausamer Weg für die Familie Hodos. Den Kindern wurde der Schulbesuch untersagt, viele wurden zur Zwangsarbeit verschleppt oder gleich in Konzentrationslager und dort ermordet. Johann Hodos wurde noch kurz zuvor für den Militärdienst mit anderen jungen Männern des Ortes gemustert, bevor er 1941 ebenfalls verschleppt wurde. In einem Brief bat er den Bürgermeister um Hilfe, die er nie erhielt. Noch am selben Tag, als die Ruster Rom_nija deportiert wurden, stellte ein Ruster einen Kaufantrag für die Hütten der Rom_nija. Keine Überlebenden kehrten nach Rust zurück.

 

Schützen am Gebirge

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts siedelten sich Rom_nija in Schützen am Gebirge an.

„Dabei wurden mehrere Familien namens Horvath, Hodos, und Rigo erwähnt, die teils aus dem Südburgenland und teils aus St. Margarethen kamen. Zur selben Zeit dürfte es auch zu den ersten dauerhaften Ansiedlungen von Roma in Schützen gekommen sein. Wiederholte Aufforderungen des Eisenstädter Oberstuhlrichters bzw. des Vizegespanns – vergleichbar mit einem heutigen Bezirkshauptmann – bereits in Schützen am Gebirge wohnhafte Roma in den Heimatverband aufzunehmen wurden zwischen 1904 und 1916 von den Gemeindeverantwortlichen regelmäßig zurückgewiesen.“ [28]

Ende des 19. Jahrhunderts entstand das sogenannte „Zigeunerlager“ am Rande des Dorfes in der Nähe des Friedhofes. 1907 wurde auf Anordnung des Oberstuhlrichters die Siedlung vom Friedhof ins Hirten- bzw. Armenhaus verlegt. In den 1930er Jahren schwankte die Zahl, der im Ort lebenden Roma stark – zwischen 19 und 61 Personen. Dies hatte mit den unterschiedlichen Zählungsmethoden zu tun. Ab 1921 besuchten die Romakinder die örtliche Volksschule. Während des Nationalsozialismus wurden alle in Schützen lebenden Rom_nija in das sogenannte „Zigeunerlager Lackenbach“ verschleppt. Nur wenige überlebten, nach Schützen am Gebirge kehrte niemand zurück.

 

St. Andrä am Zicksee

Bereits 1775 werden zwei Romafamilien in St. Andrä genannt: Familie Vörös und Familie Rath. 1930 lebten 16 Rom_nija im Dorf, zu den schon erwähnten Familien kamen Familie Horvath bzw. Rotter und Sarközy hinzu. Sie lebten in der sogenannten „Zigeunerg’stetten“. 1938 wurde ihnen unentgeltlich ein Grundstück zur Verfügung gestellt. Das Schicksal der Rom_nija von St. Andrä während des Nationalsozialismus ist dem der übrigen Burgenlandrom_nija ähnlich:

„Laut Zeitzeugenberichten wurden die Roma am 30. November 1941 von Männern der SS abgeholt und verschleppt. Dabei wurde Anna Rotter angeblich während eines Fluchtversuchs erschossen. Ziel der Verschleppung dürfte das ‚Zigeunerlager Lackenbach‘ gewesen sein. Anna Horvath, die 1888 in St. Andrä am Zicksee geboren wurde, verstarb dort im Jänner 1941. Eine Tochter der Familie Rotter überlebte die Haft im Lager Lackenbach und übersiedelte nach dem Krieg nach Oberwart. Sie war vermutlich die einzige Überlebende der Romafamilien aus St. Andrä am Zicksee.“ [29]

 

St. Margarethen

Hier siedelten sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Romafamilien an – im Jahr 1873 werden 15 Rom_nija im Ort erwähnt. Die erste Romasiedlung entstand am sogenannten „Zigeunerriegel“, die zweite am Ortsbeginn von St. Margarethen, dort wo heute das Gebäude der Winzergenossenschaft zu finden ist. 1934 standen dort 19 Gebäude und innerhalb weniger Jahre entstand in St. Margarethen die größte Romasiedlung im nördlichen Burgenland. 1936 lebten dort 144 Rom_nija. Die häufigsten Familiennamen lauteten: Horvath, Rigo, Hodosch, Ujvari, Karoly oder Papai. Das Schicksal des Musikers Franz Horvath steht stellvertretend für die ambivalente Haltung innerhalb der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Burgenlandroma: Sein musikalisches Talent wurde von Leopold Ferstl früh erkannt und in der Violinenschule gefördert. Als Erwachsener spielte er bei zahlreichen Veranstaltungen und wurde als Primas bezeichnet. 1919 heiratete er Anna Markovic und gründete eine. Von der Dorfgemeinschaft wurde er trotz allem abgelehnt und ausgegrenzt.

„Als er im Jänner 1935 ein Baugrundstück für seine Familie kaufen wollte, wurde er von zwei Vertretern der lokalen Urbarialgemeinde gröbstens beleidigt. Die beiden angezeigten Männer wurden wenig später wegen Diskriminierung verurteilt. Da nach dem Dafürhalten der übrigen Mitglieder der Urbarialgemeinde die beiden aber ‚das Interesse der Mitglieder vertreten haben‘, übernahm die Urbarialgemeinde die Gerichtskosten der Verurteilten, wobei jedem Mitglied ein Beitrag von 70 Groschen aufgebürdet wurde. Am 23. August 1936 wurde Franz Horvath im Zuge eines Wirthausstreites derart verprügelt, dass der Musiker einen Tag später seinen Verletzungen erlag.“ [30]

1938 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschlimmerte sich die Situation der Rom_nija in St. Margarethen drastisch. Der NS-Bürgermeister Karl Unger schrieb in einem Bericht im „Völkischer Beobachter“:

„So hat man ein arbeitsscheues Parasitenvolk großgezogen, niemandem zu Nutze und allen zum Schaden. Die Gemeinden, die Zigeuner beherbergen müssen, rufen nach Lösung der Zigeunerfrage, denn es hängt das Wohl und Wehe der Gemeinden an dieser Lösung.“[31]

Auch die Rom_nija in St. Margarethen wurde allesamt verschleppt und zum Großteil ermordet. Ihr Schicksal konnte bisher nur teilweise rekonstruiert werden. Ihr Hab und Gut wurde zerstört oder veräußert. Nur 5 überlebende Rom_nija kehrten nach St. Margarethen zurück und siedelten sich auch wieder im Ort an. Alle Anträge auf Opferfürsorge, Rückstellung von Häusern und Unterhaltsrenten wurden abgelehnt. Manche verließen den Ort wieder, um in der Anonymität unbehelligt leben zu können. 1982/1983 gaben 30 Personen an, dass sie zur Volksgruppe gehören.

 

Wiesen

Erste Aufzeichnungen über Rom_nija in Wiesen sind mit Ende des 19. Jahrhunderts festzumachen. „Die Anzahl der Roma, die die Namen Horvath, Holdosi, Hartmann, Karall oder Papai trugen, nahm in Wiesen stetig zu. Waren es 1925 33 Roma – 13 Männer, elf Frauen, neun Kinder unter 14 Jahren – so stieg die Zahl 1933 auf 40 und im Jahr 1936 auf 43 Roma an. Über die sozialen Verhältnisse, die Beschäftigungen der Roma und ihre Beziehungen zur Gemeindebevölkerung ist kaum etwas bekannt.“ [33]

Auch über ihr Schicksal während des Nationalsozialismus ist wenig bekannt, bis auf die Tatsache, dass die meisten Rom_nija aus Wiesen am 6. April 1941 in das sogenannte „Zigeunerlager Lackenbach“ verschleppt wurden. Einige wenige Rom_nija überlebten den NS-Terror indem sie nach Ungarn flohen. Von jenen, die die Konzentrationslager überlebten, kehrten 15 nach Wiesen zurück. Sie versuchten ihre Wohnungen sowie ihr Hab und Gut wiederzubekommen, jedoch war der Antiziganismus in den Dörfern auch nach Kriegsende immer noch präsent. „Die Gendarmerie argumentierte mit den vorherrschenden Stereotypen und diffamierte die Überlebenden mit dem Verdacht ‚dass die Zigeuner vielfach mit den Ukrainern und Russen verkehre und es … nicht von der Hand zu weisen [sei], dass sie auch an den gemeinsamen Diebstählen beteiligt sind.“[34]

Die letzten Rom_nija verließen Wiesen 1989.

 

Winden am See

Bereits im 17. Jahrhundert finden sich erste Belege darüber, dass sich Rom_nija in Winden angesiedelt haben. Sie lebten vor allem in der Nähe der Steinbrüche im Leithagebirge, da sie dort häufig einer Arbeit nachgehen konnten. Innerhalb der Mehrheitsbevölkerung stießen sie vorwiegend auf Ablehnung. Schon vor der Machtergreifung gab es mehrere Versuche die ortsansässigen Rom_nija loszuwerden bzw. umzusiedeln. Im Sommer 1929 errichteten zwei Romafamilien die ersten Häuser im Ort. 1934 war die Siedlung bereits auf vier Gebäude angewachsen. Wer unter den Rom_nija Heimatrecht bekam und wer nicht, war von der Willkür der Gemeindeverwaltung abhängig, die oft nur nach eigenem Vorteil entschied. Zwischen 1929 und 1936 lebten zwischen 49 und 45 Rom_nija in Winden. 1939 kam es zu den ersten Verhaftungen im Ort. 1941 wurden alle im Ort verbliebenen Rom_nija in das sogenannte „Zigeunerlager Lackenbach“ verschleppt. Das genaue Schicksal der Windener Rom_nija kann laut Brettl und Baumgartner bisher nicht rekonstruiert werden, jedoch scheint das Schicksal der Rosa Horvath exemplarisch:

„Drei ihrer Kinder wurden nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie zu Tode kamen. Rosa und ihr Ehemann Stefan wurden mit ihren vier Kindern am 20. September 1941 in Winden festgenommen und in das Lager Lackenbach gebracht. Ihr Gatte Stefan verstarb Dezember 1942, ihre Tochter Erika im November 1941. Sie selbst und ihre drei verbliebenen Kinder waren ab 1944 als Zwangsarbeiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Markt St. Martin beschäftigt und konnten so überleben. Ihr kleines Haus mit einem Zimmer und einem Stall wurde während ihrer Haftzeit verkauft und abgetragen. Ebenso waren die Möbel und andere Haushaltsgegenstände nicht mehr vorhanden.“[35]

Nach dem Krieg ließ sich Rosa Horvath, so wie viele andere Rom_nija auch, in Wien und Umgebung nieder, um sich eine neue Existenz aufzubauen.

 

 

Weitere Orte im Burgenland an denen sich Romasiedlungen befanden, die im Buch näher ausgeführt werden, sind:

Dobersdorf, Doiber, Girm, Glashütten bei Schlaining, Goberlingz, Grafenschachen, Gritsch, Grodnau, Grosshöflein, Günseck, Hammerteic, Harmisch, Haschendorf, Heiligenkreuz im Lafnitztal, Kaisersteinbruch, Kemeten, Kittsee, Kleinbachselten, Kleinmürbisch, Kleinmutschen, Kleinpetersdorf, Königsdorf, Krensdorf, Kroatisch, Ehrensdorf, Krobotek, Kukmirn, Kulm, Liebing, Limbach, Markt Allhau, Markt St. Martin, Marz, Mönchmeierhof, Neckenmarkt, Neudorf bei Landsee, Neudörfl, Neumarkt an der Raab, Neusiedl bei Güssing, Neustift an der Lafnitz, Neustift bei Güssing, Oberloisdorf, Oberpodgoria, Oberpullendorf, Oberwart, Oslip, Poppendorf, Rattersdorf, RAX, Redlschlag, Rohrbach, Rohrbach bei Mattersburg, Rudersdorf, Rumpersdorf, Schallendorf, Schandorf, Schattendorf, Schreibersdorf, Siegendorf, Sieggrabe, Sigless, Spitzzicken, St. Kathrein, St. Martin an der Raab, Sulzriegel, Trausdorf, Unterschützen, Unterwart, Walbersdorf, Weichselbaum, Weinberg, Welgersdorf, Wiesfleck, Willersdorf, Zagersdorf, Zahling, Zuberbach

 

Nachweise:

[2] Baumgartner, Gerhard; Brettl, Herbert: „Einfach weg“ Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland. Hrsg. Von KANZLEI – Internationaler Verein für Wissenschaft und Kultur; Wien, Hamburg: new academic press, 2020. . Seite 45

[6] Ebd. Seite 73

[7] Ebd. Seite 75

[8] Ebd. Seite 82

[9] Ebd. Seite 94

[13] Ebd. Seite 116

[16] Ebd. Seite 140

[22] Ebd. Seite 217

[23] Ebd. Seite 220

[25] Ebd. Seite 267

[28] Ebd. Seite 316

[29] Ebd. 328

[30] Ebd. Seite 336

[31] Ebd. Seite 336

[33] Ebd. Seite 384

[34] Ebd. Seite 385

[35] Ebd. Seite 393

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